Working Out Loud: Kampf den Silos!

In vielen Unternehmen behalten Mitarbeiter ihr Wissen für sich. Das ist natürlich keine neue Erkenntnis, aber nichts­des­to­trotz (leider) vielfach gelebte Normalität: 

Im Kampf um Budgets und Aufmerksamkeit reiben sich viele Mitarbeiter bei der Selbstinszenierung auf – anstatt gemeinsam für den Kunden zu arbeiten. Ich bin davon überzeugt, dass aufgrund der Silodenke eine große Anzahl von Projekten rein der Selbstpositionierung dienen. Teilweise wird die gesamte Organisation missbraucht, um das eigene Profil zu schärfen.

So weit, so bekannt.

Info-Box: Was sind Silos?

Mit dem Begriff Silo bzw. dem damit verbundenen Silodenken sind Mitarbeiter in Unternehmen gemeint, die vor allem innerhalb des eigenen Bereichs bzw. Abteilung denken und handeln. Teilweise sogar so weit, dass unterschiedliche Abteilungen völlig verschiedene Unternehmensziele verfolgen.

Silos liegen seit jeher im Trend

Klar ist: Gemeinsam neue Ideen umzusetzen und dabei Risiken einzugehen ist anstrengend. Was machen die anderen? Sind die erfolgreich?
Im „schlimmsten Fall“ bekommen die anderen mehr Anerkennung von der Unternehmensführung. Und damit im nächsten Jahr mehr Budget – welches dann bei den eigenen Projekten gekürzt wird.

Aber nicht nur in großen Konzernen gibt es dieses Denken. Auch in kleineren Unternehmen und Abteilungen sprechen die Mitarbeiter (die sich teilweise am Schreibtisch gegenübersitzen) nicht wirklich miteinander. Gründe gibt es dafür viele:

  • Der Statuserhalt ist einfacher und stressfreier
  • Angst vor Machtverlust
  • Starkes Konkurrenzdenken und Neid

Vielleicht haben auch gerade wir in Deutschland mit unserem Föderalismus einen besonderen Hang zur Abgrenzung und zum Silodenken. Denn noch immer sind wir aufgeteilt in Nord und Süd, in Ost und West, in 16 Bundesländer mit eigenen Parlamenten, in Ministerien mit eigenen Bildungsplänen. Yada yada yada

Kampf den Silos!

Auch das ist eigentlich klar: Silos sorgen für einen gefährlichen Tunnelblick. Silos sind der natürliche Feind von Produktivität. Silos verhindern Innovationen.

Ich bin davon überzeugt, dass viele Probleme, mit denen Unternehmen ihren Kunden begegenen, eher Kommunikations- und Koordinationsprobleme sind – verursacht durch zu viele Silos: Informationen fließen nicht, Abstimmungsprozesse finden nicht statt, Missverständnisse entstehen.

Viele gute Gründe, um Silos aufzubrechen.  


Hier kann New Work ansetzen. Denn im Kampf gegen die Silos und für mehr Innovationsgeist ist (surprise, surprise) mehr Zusammenarbeit der Mitarbeiter im Unternehmen notwendig. Optimalerweise über Team- und Abteilungsgrenzen hinweg. 

Und jetzt kommt die (aktuell unglaublich stark gehypte) Methode Working Out Loud (WOL) ins Spiel. Hier geht es nicht (wie evtl. der Name vermuten lässt) darum, besonders laut seine Arbeitsergebnisse zu kommunizieren. Ganz im Gegenteil: Es geht um Zusammenarbeit und das bewusste Teilen und Bereitstellen von Wissen

Wie funktioniert’s?

Der Kern: WOL kann Menschen helfen ihre ­Arbeitsergebnisse besser sichtbar zu machen und ein starkes Netzwerk aufzubauen. Dabei werden die Teilnehmer ermutigt Wissen zu teilen und Ideen aktiv auszutauschen.

Info-Box: Wer hat’s erfunden?

John Stepper – der Erfinder von WOL – war 2008 bei der Deutschen Bank in NYC beschäftigt und sein Job wäre beinahe einer Sparrunde zum Opfer gefallen. Er suchte einen Weg sein Leben wieder in die eigene Hand nehmen zu können und wieder mehr Kontrolle zu gewinnen. Er begann seine Arbeit im Unternehmen sichtbar zu machen und vernetzte sich mit Kollegen. Auf diese Weise wurde er in der Firma immer bekannter. Er wurde nicht entlassen – sondern im Gegenteil immer bekannter und „wichtiger“ für die Firma. Auf Basis dieser Erfahrung entwickelte er „Working Out Loud“, das jedem die gleiche Entwicklung ermöglichen soll.

Teilnehmer von WOL finden sich in sogn. „Circles“ zusammen. Zum Start nimmt sich jeder Teilnehmer ein persönliches Ziel vor. Das kann ein abstraktes Ziel sein wie „Ich möchte überzeugender auftreten“. Oder konkreter: „Ich möchte im kommenden Jahr für mein Unternehmen eine Präsentation auf einer großen Konferenz halten.“

Ein Erfolgsfaktor bei WOL ist der sogn. „Circle Guide„. Hier finden sich verschiedene Übungen wie bspw. „Werde sichtbar“ oder „Entwickle mehr eigenständige Beiträge„. Der Circle Guide gibt für die insgesamt 12 Treffen auch vor, welche Fragen die Teilnehmer diskutieren sollen. Etwa: „Was habe ich diese Woche konkret unternommen, um meinem Ziel näher zu kommen?“. 

John Stepper: „What is WOL?“

In den Circles sollen so gemeinsam nach und nach Kompetenzen gestärkt und Hemmungen abgebaut werden. Im besten Fall kann WOL den Teilnehmern helfen selbst eine Antwort auf die Frage zu finden: Was brauche ich eigentlich, um gut und glücklich arbeiten zu können?

„Working Out Loud“ ist vor allem ein Schutzraum

„Working Out Loud“ bietet vor allem ein Umfeld, in dem die Teilnehmer ausprobieren können, was sonst so nicht möglich wäre. Die Kultur und alle ihre Reglementierungen eines Unternehmens werden außer Kraft gesetzt. Teilnehmer dürfen Dinge ausprobieren, ohne dass Konsequenzen drohen.

In einem solchen „Schutzraum“ entstehen Dynamiken, die sonst womöglich durch viele ungeschriebene Gesetze verhindert werden. Der Blog intrinsify.de spricht daher bei WOL auch von organisationsinternem Urlaub.

Die Frage ist: Was passiert, wenn die Teilnehmer den Schutzraum wieder verlassen? Wahrscheinlich ist dann vieles wieder wie immer. Willkommen zurück im Silo!

Fazit

Gerade in Deutschland, wo wir als gesamtes Land zunehmend Gefahr laufen bei der Digitalisierung überholt zu werden. Wo eine zunehmende Alterung der Gesellschaft viel zu viel Bestandswahrungsdenken vorherrscht und die Regierung sich im bürokratischen Klein-Klein verliert ist es wichtig, wieder innovativer und wettbewerbsfähiger zu werden.

So ist es doch zu begrüßen, dass es Initiativen wie WOL gibt, die Mitarbeiter zu grenzüberschreitenden, interdisziplinären Kollaborationen ermutigen. In den Circles haben die Teilnehmer einen geschützten Raum, in dem sie sich intensiv miteinander austauschen können.

Optimalerweise ist WOL als Change-Programm zu verstehen, welches sowohl dem Unternehmen als auch den Mitarbeitern hilft. Die Circles sind eine Art „Trainingslager“, in dem Menschen lernen, wie sie offener auf Kollegen zugehen, Wissen teilen oder sich mit Arbeitspartnern vernetzen. Ohne Silos. Ohne Herrschaftsdenken.

Allerdings ist WOL nicht revolutionär neu. Und WOL löst zunächst mal keine Kundenprobleme. Es folgt dem Ziel besser zusammen zu arbeiten. Das sorgt sicherlich erstmal für Euphorie und Tatendrang, trägt aber letztlich nicht zu einer Problemlösung bei. Und ist vermutlich auch nicht wirklich nachhaltig. 

Letztlich ist WOL aber auch eine Grassrootbewegung. Sie wird von den Teilnehmern selbst organisiert und erwächst aus Eigeninitiative der Mitarbeiter. Aber es ist schön zu sehen, dass vor allem größere Unternehmen (klar, hier gibt es auch die größten „Silo-Probleme“) an WOL interessiert sind. Viele Unternehmen wie BMW, Siemens oder Bosch supporten ihre Mitarbeiter bei diesem Vorhaben.

Ein guter Start. Gegen die Silos.

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Eine Antwort

  1. Hey Lars,

    super interessant, dass du das Thema gerade aufgreifst. Wir in Köln bei Publicis Pixelpark haben letzten Oktober mit WOL angefangen. Lass uns doch zum Thema gerne mal austauschen.

    Viele Grüße vom „gerade hier sitzenden“ WOL-Circle 1

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