Warum Unternehmen kein wirkliches Interesse an Innovationen haben

Innovation ist DAS Schlagwort in Unternehmen. Eine Google-Suche ergibt fast eine Milliarde Treffer. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Unternehmen sind dazu verdammt innovativ(er) zu werden. Harte Arbeit und ein „weiter so“ wird viele Unternehmen nicht in eine erfolgreiche Zukunft führen. Daneben schafft die Plattformökonomie Wettbewerbsvorteile gegenüber der deutschen Maschinenbau-Expertise. Heute ist Geschwindigkeit oftmals wichtiger als Perfektion – die Chance liegt in einer höheren Risikobereitschaft und eben in der Innovation.
Das haben viele Unternehmen mittlerweile erkannt – und es wird viel Aufwand betrieben, um „mal was in Sachen Innovation zu machen“. Doch häufig scheitern Initiativen wie beispielsweise die Innovations-Labs sehr schnell wieder. Frust und Ernüchterung macht sich breit. Etwas provokativ möchte ich sagen: Viele Unternehmen haben gar kein echtes Interesse daran, innovativ zu werden. Doch warum ist das so und was steckt dahinter?
Der heute (noch) vorhandene Wohlstand ist das Ergebnis eines früheren Erfindergeistes. Im Mittelstand gab es die Start-ups einer vergangenen Zeit. Natürlich gibt es auch heute tolle Unternehmen in Deutschland und Europa. In der Biotech-Szene sieht es ganz ok aus. Und ein paar gute Start-ups gibt es in Europa natürlich auch. CureVac zum Beispiel. Oder Delivery Hero. Oder Spotify aus Schweden. Daher ist der Titel dieses Beitrags natürlich etwas überspitzt und nicht 100% ernst gemeint.
Und dennoch: Vielen Unternehmen fehlen Fehlerkultur, Risikobereitschaft und letztlich der unbedingte Wille zu Innovationen. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung mit dem Titel „Tradition statt Disruption“ zeigt, dass es vor allem dem Mittelstand an einer Innovationskultur fehlt.
Nur ein Viertel der Unternehmen verfügen über die nötige Innovationskompetenz, um ihre Wettbewerbsposition langfristig zu sichern. Fast die Hälfte aller deutschen Unternehmen hat es in den zurückliegenden Jahren verpasst, ihr Innovationsprofil an neue Bedingungen anzupassen.
Doch warum ist das so?
Unternehmen wollen bleiben, wie sie sind?!?
Unternehmen sind auf Effizienz und Wiederholbarkeit ausgerichtet. Im Zentrum steht (nachvollziehbar) der Wunsch mit vorhandenen Mitarbeitern das Maximum an Output – und damit an Umsatz und Gewinn zu erzielen.
Die Idee der Innovation passt da nicht so recht ins Konzept und das notwendige „Ausprobieren“ passt nicht in den durchgeplanten Tagesablauf. Die anspannte Situation in der Corona-Krise sorgt leider vielfach auch nicht dafür, dass Unternehmen den Mitarbeitern mehr Zeit und Freiraum zum Experimentieren geben.
So drängt sich der Eindruck auf, dass Unternehmen zwar oberflächlich innovativ scheinen wollen. Aber so wirklich dann auch nicht. Vielleicht ist der Schmerz die Organisation entsprechend umzugestalten für viele Manager zu hoch. Vielleicht geht es vielen Unternehmen auch noch zu gut?
Was machen Unternehmen in Sachen Innovationen falsch? Und wie sollten sie sich verhalten, um wirkliche Innovationen zu fördern?
Die falschen Fragen
Problem: Unternehmen stellen die falschen Fragen
Viel zu oft werden in Unternehmen die falschen Fragen gestellt. Ist die neue Innovationsoffensive nicht so erfolgreich wie sie sein soll, so werden Mitarbeiter schnell als innovationsunwillig abgestempelt. Typische Fragen sind „Wie können wir die Mitarbeiter innovativer machen?“ oder „Kann der was?“. Zu diesem Thema habe ich bereits Anfang 2019 einen Betrag mit dem Titel „Warum Unternehmen an der Kompetenz der Mitarbeiter zweifeln“ geschrieben.
Vorschlag: Unternehmen sollten die Struktur in Frage stellen
Ich bin davon überzeugt, dass es den meisten Unternehmen eben nicht an innovativen Mitarbeitern fehlt. Allerdings haben die innovativen Mitarbeiter häufig keinen Raum, in dem sie neue Ideen entwickeln können. Stichwort „safe spaces“ oder auch die sogn. „Psychologische Sicherheit„.
Anstatt die Mitarbeiter zu verteufeln, sollten Unternehmen vielmehr die eigene Struktur in Frage stellen. Die Zusammenhänge sind eben nicht linear: Man drückt auf den Knopf und der Mitarbeiter hat eine Innovation entwickelt. Und das ist vor allem erstmal eine Frage der Struktur – und eben nicht der Mitarbeiter. Der Verhaltensforscher Hubert Markl war davon überzeugt, dass der Erfolg der Evolution durch Schlamperei, Sex und Egoismus entstanden ist. Effiziente Strukturen und eine tolle Planung waren es zumindest nicht.
Was ist Innovation?
Problem: Unternehmen wissen nicht was sie wollen
Alle reden von Innovation und möchten möglichst innovativ sein. Aber was bedeutet das eigentlich? Was bedeutet Innovation für das Unternehmen? Welche Innovation ist eigentlich gemeint? Sollen neue Produkte entwickelt werden? Oder soll die bisherige Entwicklung schneller und schlanker sein? Betrifft das auch die Finanzbuchhaltung? Was ist mit der Führung? Wie viel Innovation soll es eigentlich sein? Und was ist eigentlich, wenn nichts Innovatives entsteht? Und wer entscheidet das?
Vorschlag: Unternehmen müssen den Innovationsbegriff schärfen
Egal ob man eine Website erstellen oder eine App entwicklen möchte (oder was auch immer …) – bei allen Projekten gilt es immer zunächst ein Ziel zu definieren. Wozu dient die Website? Was soll die App leisten?
Auch bei der Innovation sollten Unternehmen zunächst das Ziel definieren. Nur dann kann geprüft werden, ob eine Innovations-Initiative überhaupt den notwendigen Beitrag leisten kann.
Zu viel Rechtfertigung
Problem: Mitarbeiter müssen sich rechtfertigen
Die Innovation wird bei einigen Unternehmen wie ein normales Projekt geplant. Input, Output. Manager müssen Business-Pläne erstellen und sich rechtfertigen, wenn es nicht so klappt wie erhofft.
Vorschlag: Verzicht auf Rechtfertigung
Klar ist: Innovation ist nicht kostenlos. Und Innovation erfordert ein Ausprobieren neuer Wege. Es sollten sich alle Beteiligten eingestehen, dass der Erfolg einer Innovation gänzlich unklar ist. Und eigentlich sogar ziemlich unwahrscheinlicher ist.
Failure and invention are inseparable twins
Jeff Bezoz, This Is How Successful People Make Such Smart Decisions
Damit einhergehend dürfen Mitarbeiter nicht für gescheiterte Ideen bestraft werden. Wer möchte, dass die Mitarbeiter innovativer werden, der darf keinen Rechtfertigungsdruck ausüben. Vieles an Innovation ist eben nunmal nicht (sofort) zu rechtfertigen.
Das ist nicht mein Problem
Problem: Problembewusstsein bei den Mitarbeitern
Viele Innovationen in den Unternehmen scheitern auch daran, dass Mitarbeiter keine Notwendigkeit sehen, um sich wirklich der Sache anzunehmen. Auch das ist allerdings weniger ein Fehlverhalten der Mitarbeiter, sondern vielmehr eine sehr menschliche Regung: Solange es nicht mein Problem ist und ich wenig von der Problemlösung habe – warum sollte ich mich verändern?
Vorschlag: Problembewusstsein herstellen
Die Mitarbeiter müssen das Problem als ihr Problem erleben und anerkennen. Das Problem muss mich selbst betreffen, wenn es seine Kraft entfalten soll. Das ist für Unternehmen vermutlich keine leichte Aufgabe – aber anders wird’s nicht gehen.
Belohnungen sind Schwachsinn
Problem: Unternehmen belohnen Mitarbeiter
Viele Unternehmen loben Geld- oder Sachpreise für die „beste Innovation“ aus. In einer Mitarbeiterzeitung eines großen Unternehmens habe ich vor kurzem eine Liste mit den „15 besten Ideen der Mitarbeiter“ gefunden. Es wurden jeweils 5.000 EUR vergeben. Keine der Ideen war innovativ.
Innovation lässt nicht kaufen. Oder anweisen. Und noch viel mehr: Belohnungen sind Gift für Innovation.
Viele Untersuchungen belegen, dass Belohnungen verleiten, eher den sicheren Weg zu wählen. Also den Weg, der möglichst einfach an die Belohnung führt. Am liebsten kleine, schnell lösbare Aufgaben.
Bei Innovationen geht es aber meist um komplexe Themen und Prozesse. Geld bewirkt also nicht, dass Mitarbeiter innovativer sind. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Vorschlag: Lasst die ollen Belohnungen sein
Innovationen sind immer intrinsisch motiviert. Man kann sich nicht anstrengen, kreativ zu sein. Und man kann das nicht auch belohnen.