Menschen sind nicht das Unternehmen – Sie spielen nur eine Rolle

Rolle
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Es gibt eine Denkfalle, in die ich selber ein paar Mal getappt bin. Eine Denkfalle, die verführerisch ist. Und zwar spreche ich vom „Mindset“. Verführerisch deshalb, da vielfach davon ausgegangen wird, dass es das Mindset ist, was „gute“ von „schlechten“ Mitarbeitern unterscheidet. Läuft ein Projekt nicht so wie es soll, so wird häufig schnell auf das falsche Mindset der Mitarbeiter hingewiesen. Gemeint ist damit meist so etwas wie die Haltung der Mitarbeiter.
Grundlegend glaube ich auch, dass die Einstellung der Mitarbeiter in einem Unternehmen super wichtig ist. Nur mit einer offenen Haltung lassen sich die vielfältigen Aufgaben und komplexen Problemen erfolgreich begegnen.
Der Denkfehler ist aus meiner Sicht nun allerdings, dass eben häufig angenommen wird, dass Mitarbeiter das richtige Mindset mitbringen müssen.
Was es damit auf sich hat und warum es häufig falsch ist bei den Personen anzusetzen, um Veränderungen in Organisationen durchzuführen.

Problem 1: Es geht immer um das Mindset der anderen

Ein Aspekt, der mich an der aktuellen Mindset-Debatte stört ist, dass es irgendwie immer um das Mindset und die Haltung von anderen geht. Im Sinne von: „Der Mitarbeiter xyz hat einfach nicht das richtige Mindset“.

Doch ist es nicht übergriffig, die Haltung, das Denken und Mindset von anderen Menschen ändern zu wollen? Und sind diese Dinge nicht eigentlich Privatsache eines jeden Mitarbeiters? Daher sollte niemand anderen das Denken, Werte oder die Haltung vorschreiben.

Klar ist damit auch: In einem Unternehmen kommen Mitarbeiter mit verschiedensten Werten, Haltungen und Denkweisen zusammen. Mittlerweile sollte – auch durch die wichtige Diskussion rund um Diversität – doch eigentlich angekommen sein, dass Unternehmen diese Diversität heutzutage nicht einfach nur dulden sollten. Vielmehr sollten sie den Vorteil darin erkennen und nutzen und Diversität aktiv fördern.

Und doch gibt es leider bei vielen Führungskräften den unbewußten Drang, andere von der eigenen Haltung und der eigenen Meinung überzeugen zu müssen. Dabei ist das häufig nicht mit einer bösen Absicht verbunden, sondern vielmehr eine menschliche Ambition.

Der daraus entstehende Konsens ist bequem und bringt auch viele Vorteile mit sich. Aber letztlich wirkt sich zu viel Übereinstimmung nicht gut auf die Wertschöpfung aus, die sich bekanntermaßen deutlich besser mit Reibung und in Diversität entwickeln kann.

Problem 2: Struktur vs. Mindset

Das noch größere Problem aus meiner Sicht mit dem Mindset ist aber der damit verbundene Denkfehler, der vermutlich in vielen Unternehmen gemacht wird.

Vielfach wird angenommen: Nur wer das richtige Mindset hat, der kann auch richtig handeln und bspw. die notwendige Leistung erbringen. Das ist vermutlich auch halbwegs richtig, denn bspw. ein positiver Geisteszustand kann ein mächtiges Tool sein, um mit Schwung und Tatendrang Dinge in Angriff zu nehmen.

Unternehmen haben eine viel zu starke Personenorientierung

So versuchen nun viele Unternehmen die Haltung, die Denkweise oder die Einstellung der Mitarbeiter zu „verändern“. Damit einhergehend ist es typisch für die Arbeit von Unternehmen, dass eine starke Personenorientierung betrieben wird.

Und genau das ist das Problem: Veränderungsansätze in den Unternehmen setzen damit viel zu häufig an den Personen an.

Ein Beispiel: Im Unternehmen xyz wird „festgestellt“, dass bestimmte Mitarbeiter die digitale Transformation „nicht verstanden“ haben. Dass sie das falsche Mindset haben. Und dann wird bspw. ein Kommunikationstraining gemacht, um mit agilen Anforderungen umgehen zu können.

Doch dies ist grundlegend der falsche Ansatz, wie Veränderungen in Organisationen gelingen können.
Denn: Es werden Lösungen für Probleme der Organisation über das Mindset der Mitarbeiter gesucht.

Christina Grubendorfer bringt in es dem tollen Podcast „Struktur statt Mind-Set. Zuviel Personenorientierung in Organisationen?“ auf den Punkt:

… [durch die starke Personenorientierung] wird eher an Defiziten der Organisation herumgedoktert anstatt sich mit deren grundlegender Bearbeitung zu beschäftigen.

Dinge nachhaltig verändern? Organisatorische Strukturen anpassen!

Denn der sehr viel größere Hebel der Veränderung ist nämlich ein ganz anderer: Die organisatorischen Strukturen. Damit meine ich die Prozesse und Regeln, nach denen eine Organisation funktioniert.

Für eine Lösung vieler Probleme der Organisation muss also der Blick in erster Linie NICHT auf die Mitarbeiter, sondern auf die Kommunikationsprozesse in der Organisation gerichtet werden.

Wie Mark Poppenborg von Intrinsify sehr treffend formuliert:

Menschen sind eben NICHT das Unternehmen. Sie spielen eine Rolle – nach den Regeln, die das System „Unternehmen“ vorgibt. So sind Mitarbeiter immer Konstruktionen des „Sozialsystems“.

Mark Poppenborg, „Was ist Unternehmenskultur?

Mitarbeiter agieren immer in einer bestimmten Rolle, bspw. in der Rolle „Business Director“ und agieren nach den kulturellen Regeln, die im Unternehmen vorherrschen. Sie geben vor, wie man mit wem spricht, wer wann wie informiert wird, welche Dienstwege einzuhalten sind und welcher Umgangston gepflegt wird.

So kann letztlich ein und derselbe Mitarbeiter in unterschiedlichen Unternehmen gänzlich verschiedene Verhaltensweisen zeigen. Daher ist es eben extrem wichtig zu definieren, wie die Spielregeln in Unternehmen sind. Mitarbeiter verhalten sich so, weil „man das hier so macht“.

Ich persönlich „bewundere“ häufig Unternehmen mit amerikanischer Ausprägung. Google zum Beispiel. Oder Salesforce.
Dort sind die Mitarbeiter (meist) nicht schlauer oder in irgendeiner Weise besser als woanders. Aber aufgrund der dort definierten Spielregeln zum Umgang miteinander, mit Kunden oder auch wie Entscheidungen getroffen werden, werden sich Mitarbeiter hier komplett anders verhalten als bspw. in einer Agentur oder einem Konzern.

Und damit ist dann häufig auch das Mindset dieser Mitarbeiter ein anderes. Aber das liegt eben so häufig NICHT an dem Mitarbeiter selber – sondern an der Struktur der Organisation. Ein Grund kann sein, dass hier die Mitarbeiter möglicherweise Geschäftsmodelle oder Produktkonzepte ausprobieren dürfen. Spielregeln, die keine Fehler erlauben, unterdrücken dagegen den Mut, Neues zu testen.

Das Verhalten einzelner ist eben NICHT (oder nur teilweise) durch deren Charakter oder Kompetenzen oder deren Mindset definiert.

Was bedeutet das?

Unternehmen sollten sich die Einhaltung von „Spielregeln“ und damit die Strukturen genau ansehen und analysieren. Wo läuft bspw. zu viel und wo zu wenig Kommunikation? Wie ist die Meeting-Struktur? Wie gehen wir miteinander um? Sollte eine Hierarchieebene gestrichen werden oder wird eine neue benötigt?

Einzel-Choachings kosten viel Geld und sind eben dann immer nur für einzelne Personen ausgerichtet. Zumal so eine einzelne Maßnahme auch meist zeitlich sehr begrenzt ist. Da gibt es dann ein Wochenend-Seminar oder fünf Sessions mit einem Coach.

Natürlich können Seminare und Coachings viel Sinn machen und sollten ganz sicher auch weiterhin genutzt werden. Aber sie taugen eben nur sehr bedingt dazu, dass sich in den Unternehmen wirklich etwas ändert. Und sie ändern auch ganz sicher nicht das Mindset einzelner Mitarbeiter.


Info-Box

Die amerikanische Psychologin Carol Dweck hat herausgefunden, dass Erfolg oder Misserfolg in entscheidendem Maß davon abhängen, was man über sich selbst denkt. Sie spricht von einem fixed bzw. einem growth Mindset. Ein super spannendes Konzept, über das ich auch vor einiger Zeit gebloggt habe.

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